Ein Lead ist ein Geschäftskontakt mit Potenzial. Und Top-Leads sind die, auf die der Vertrieb „heiß“ ist: „Die haben das Problem, das wir lösen. Die suchen jetzt nach einem Lieferanten wie uns. Und – die wollen so schnell wie möglich kaufen.“ Wenn Sie jetzt denken, „Ja genau, das ist der Lead den wir haben wollen“, dann könnten Sie im Vertrieb ein Problem haben.
Was macht diesen Top Lead gefährlich?
Machen wir uns an einem Beispiel klar, wie dieser Lead tickt. Nehmen wir an, mein Office Drucker hat vor einer Weile angefangen komische Geräusche zu machen. Er hat auch schon mal ein Blatt Papier gefressen. Aber heute ist das gleich drei Mal passiert. Ich habe die Faxen dicke.
Für einen Office-Drucker-Verkäufer bin ich ein Top Lead, oder? Ich kenne mein Problem (Drucker so gut wie hinüber), ich weiß was ich brauche (einen neuen Drucker) und ich will nicht warten, sondern umgehend einen kaufen.
Schauen wir da noch ein bisschen genauer hin. Ich habe mich natürlich zwischendurch immer mal im Internet schlau gemacht und weiß auch schon, dass ich einen Farb-Laserdrucker mit Wlan und Kopier- und Scanfunktion will.
Und jetzt die 100 Punkte Frage!
Was will einer, der sein Problem kennt, der die Lösung und die in Frage kommenden Lieferanten kennt und der jetzt kaufen will? Er will den besten Preis.
Vielleicht sagt der ein oder andere jetzt: Ok, bei so einem Allerweltsprodukt wie einem Office Drucker, da stimmt das. Aber was ist mit individualisierten, komplexen Produkten oder solchen Dienstleistungen?
Nun, es mag einige wenige Ausnahmen geben. Aber gehen Sie davon aus, wenn Sie Wettbewerber haben und wenn Ihr komplexes Produkt eine allgemein gebräuchliche Bezeichnung hat, wie zum Beispiel im IT-Umfeld „Managed Services„, dass es dann um den Preis geht, sobald der Kunde sein Problem und die Lösung kennt. Mit anderen Worten: Sobald er für einen Lieferanten ein Top Lead ist.
Ist so ein Top-Lead immer Zeitverschwendung?
Nein. Zurück zum Drucker-Beispiel. In meiner Situation brauche ich einen Office Drucker, und werde sehr bald einen kaufen. Also einer wird das Rennen machen. Und für den bin ich keine Zeitverschwendung. Zu 99,9 % wird es der günstigste Anbieter seiner Klasse sein oder der zweitgünstigste (Manchmal sind die Leute bereit, für einen „Guten Namen“ einen Bonus zu zahlen.)
Wenn Sie also nicht der günstigste Anbieter sind oder mit einem Namen punkten können (Katzen würden Whiskas kaufen), dann sollten Sie drei Mal überlegen, wie viel Energie und Zeit Sie in einen wie hier skizzierten Top Lead investieren.
Wäre es eine schlechte Idee, jetzt mal zu schauen, wo unsere Chancen als Verkäufer besser stehen?
Starten wir die Untersuchung mit einer Grundannahme: Zwei Dinge müssen zutreffen, damit wir mit einem Kunden ein Geschäft machen können.
- Es gibt ein Problem, das den Kunden substanziell Zeit, Geld oder Energie kostet.
- Wir verkaufen eine Lösung für das Problem.
Nun kann ein Kunde erst mal zwei Zustände einnehmen: Ihm kann sein Problem bewusst sein oder nicht-bewusst sein.
Ein ganz triviales Beispiel: Mein Auto ist gestohlen, ein ordentliches Problem, oder? Wenn ich vor dem leeren Parkplatz stehe und aufgeregt mit der Polizei telefoniere, dann ist mir bewusst, dass mein Auto weg ist. Sitze ich hingegen noch im Büro und telefoniere mit einem Lieferanten, dann ist mein Auto zwar auch schon weg, aber ich weiß es noch nicht. Es ist mir nicht bewusst.
Oder denken Sie an einen drohenden Herzinfarkt. Ihr Kollege macht einen gesunden Eindruck, und er fühlt sich auch so. Sein Arzt jedoch liest aus den Untersuchungsdaten was ganz anderes.
Ich denke, das mit dem Problem bewusst / nicht-bewusst ist klar. Jetzt kommt noch die Lösung ins Spiel. Dem Kunden kann die Lösung bewusst oder nicht-bewusst sein.
Wenn zum Beispiel ein Infarkt droht, ist „so kann es nicht weiter gehen“ keine Lösung. Hingegen ist „Ich mache eine Kur, ernähre mich zukünftig gesund und gehe vom Außendienst in den Innendienst“ bereits eine weit ausgearbeitete Lösung.
Kunden klassifizieren
Mit unseren zwei Grundbedingungen kann ein Kunde also genau 4 “Zustände” einnehmen:
- Dem Kunden ist das Problem bewusst. Und er kennt die/eine Lösung.
- Dem Kunden ist das Problem bewusst. Aber er kennt keine Lösung.
- Dem Kunden ist das Problem nicht bewusst. Und er kennt auch keine Lösung.
- Dem Kunden ist das Problem nicht bewusst. Aber er kennt eine Lösung.
Nummer 1 – und die Probleme mit ihm – kennen wir schon: Das ist unser hier skizzierter Top-Lead (Mein Drucker ist kaputt und ich weiß schon, was ich kaufen will).
Nummer 4 können wir auch gleich ausschalten. Das sind keine Kunden, sondern Wissenschaftler, Fachjournalisten usw. Diese Gruppe kennt sich in den Lösungen bestens aus. Sie sind an den Problemen als Problem interessiert, sie kosten sie nichts.
Kunde Nummer 2 spürt das Problem bereits, hat aber noch keine Lösung. In den meisten Unternehmen sind in diesem Zustand bereits erste Kämpfe im Gange. Es gibt Leute, die das Problem beklagen und was ändern wollen. Andere versuchen vielleicht, es unter dem Deckel zu halten oder woanders hin zu schieben.
Als Verkäufer ist Ihre erste Aufgabe hier oft, erstmal zu sortieren. Sie müssen gut in „Politik machen“ sein. Das kann, je nachdem wie viele Leute an dem Problem bereits „hängen“, durchaus aufwändig sein.
Die große Gefahr hier heißt: Kostenloses Beraten. Am Ende, wenn Sie den Kunden schlau gemacht haben, ist er in Position 1. Dann sucht er den Lieferanten mit dem besten Preis.
Besser, Ihnen gelingt es, alle die „Nein“ sagen können ins Boot zu bekommen. Wenn es Ihnen dann noch gelingt, die Ausschreibung (RFP) zu steuern, dann können das lohnende Kunden sein.
Bleibt noch Nummer 3. Und das ist ein echter Kracher. Vor allem für Verkäufer, die nicht den günstigsten Preis und/oder ein tolles Logo haben (Nummer 1 Kunden) oder viele Ressourcen ins Relationship-Building investieren können (Nummer 2 Kunden).
Nummer 3 ist genau das Passende für Vertriebe mit “schwierigen” Kunden, die beraten werden wollen/müssen.
Warum ist dieser Kunde Nummer 3 für den beratungsintensiven Verkauf die Lösung?
Niemand hat bereits Informationen zum Problem und zu Lösungen gesammelt und erste Richtung/Meinung vorgegeben. Es gibt keine Wettbewerber, die bereits mit dem Kunden ihre tollen Lösungen diskutieren. Niemand “besitzt” das Problem. Es ist noch nicht klar, wer alles vom Problem / von der Lösung betroffen ist. Der Preis ist in diesem Stadium kein Thema.
Wenn es dem Verkäufer also gelingt, das wichtige Problem des Kunden nach oben zu holen, ist er in der phantastischen Position, dass er gemeinsam mit dem Kunden auf seine Lösung zusteuern kann.
Der Verkäufer ist der Experte. Der Kunde vertraut auf ihn und er baut an der Lösung mit. Es ist „seine“ Lösung. Es gibt keinen Wettbewerb, auch nicht beim Preis.
Die Kehrseite der Medaille
- Erstens: Wir müssen ein Problem finden, das für den Kunden verdeckt und gleichzeitig substanziell ist. In der Regel ist das kein offensichtliches Problem, sonst hätte es der Kunde schon auf dem Radar. Hat man so ein Problem gefunden, ist es allerdings oft der Schlüssel zu vielen Kunden.
- Zweitens: Es dauert. Wir müssen das Problem und den Kunden (das Bewusstsein des Kunden) entwickeln. Wir müssen einen Change (= neudeutsch für Sinneswandel) herbeiführen. Und Change braucht Zeit.
- Drittens: Gute Kommunikationstechnik hilft sehr. Es ist nicht ganz trivial, einen Kunden für ein Problem zu interessieren, das er erst mal nicht sieht. Ein straffer Sales-Prozess hilft sehr. Man muss schnell erkennen können, ob man einen vielversprechenden Kunden vor sich hat oder an trockenen Zitronen rum drückt.
Und jetzt?
Puuh, das ist ziemlich viel auf einmal, oder? Andererseits, stellen Sie sich vor wie es ist, wenn Sie einen solchen außergewöhnlichen Sales-Approach haben – und er wirkt.
Ich weiß jetzt nicht, ob das – so ein Sales-Ansatz mit einem Kunden, der sein Problem noch nicht erkennt – ob das was für Sie wäre. Schreiben Sie mir doch, was Sie im Verkauf bewegt